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Die Tsunge der Wällen

Die Tsunge der Wällen

Am nächsten Morgen brachte der Einsiedler der Königstochter einen Bund Möhren. Solange die Möhren reichen, wird Dich mein Esel führen. Danach wird er zu mir zurückkehren. Die Königstochter dankte dem Einsiedler und hielt dem Esel die erste Möhre hin.

Sofort zog der Esel los, nicht direkt zu den Bergen hin, die sich wie Wälle vor ihnen auftürmten, sondern in sanften Serpentinen. Durch die Umwege kamen sie viel schneller voran, als wenn sie den direkten Anstieg versucht hätten.

Auch so wurde der kaum zu erkennende Weg immer steiniger und steiler. Der Esel war ein kluger Begleiter, wenn auch sehr still. Was will man vom Esel eines Einsiedlers auch anderes erwarten? So kamen sie dem Kamm immer näher und die Königstochter wurde immer gespannter, was sie wohl hinter dem Kamm erwarten würde.

Als sie keuchend oben ankamen, fanden sie ein uraltes Holzschild, das kaum noch zu lesen war. Ende der Welt. Das konnte doch wohl nicht wahr sein! Jetzt waren sie die ganzen steilen Wälle emporgestiegen, um an dieser Grenze nicht mehr weiterzukommen? Dahinter waren doch noch viel mehr Berge zu erkennen, Berge soweit das Auge reichte. Kaum bewaldet, kaum grün, aber viele Felsbrocken und dunkle Schluchten und auf manchen Gipfeln lag sogar Schnee.

Sie lauschte dem Wind, der ihr die Tsungen der Wälle näherbrachte. In Eiseskälte sprachen die Wälle vom Diesseits und Jenseits der Grenze, von Ankommen und Abschied, von Trauer und Trost, von Sterben und Todsein. Es lag nichts Bedrohliches in diesen Bildern, aber etwas Endgültiges.

Der Esel war nicht zu bewegen, einen Fuß über die Grenze zu setzen, da halfen auch die Möhren nicht. Doch wollte die Königstochter nicht aufgeben und bewegte sich mutig auf die Grenze zu. Da kam ihr eine dunkle, riesige Gestalt drohend entgegen, die nach Schwefel und Feuer roch.