writingSchreibe Alternativ Losrechts

Die Tsungen der Marschällen

Die Tsungen der Marschällen

Wer wagt es, das Meer unseres Königs ungefragt zu befahren? Der Seemarschall erhob drohend seine Stimme. Wer wagt es, sich dem Schiff unseres Königs ungefragt in den Weg zu stellen? Der Feldmarschall antwortete im gleichen Tonfall. Ich führe die Macht der Meere im Auftrag des Königs. Ich führe die Macht der Heere im Auftrag des Königs. Ihr seid hier an der Grenze unseres Reiches. Und Ihr an der unseren. Wir befehlen die Seepferde und Schildkröten hier. Wir befehlen die Schiffe und Waffen hier. Es war deutlich, dass sich die beiden Marschälle ebenbürtig waren und ihre Tsungen ein altbekanntes Lied sungen. Das Lied der Macht und Stärke.

Da sprang die Königstochter mit lauter Stimme dazwischen. Haltet ein! Wir erkennen, dass wir hier an die Grenzen eines anderen Reiches gekommen sind und bitten höflich um Gastfreundschaft. Ich bin die Tochter und Erbin des Königs. Nie zuvor war ihr eingefallen, dass das ja ihr berechtigter Anspruch war. Erbe des Königs, daran musste sie sich erstmal gewöhnen. Sie bemerkte nicht, wie ihr der Marschall anerkennend zunickte.

Wir erkennen die Grenze Eurer Herrschaft an und freuen uns, Euch bei uns begrüßen zu dürfen. Also konnte der Seemarschall doch auch freundlich sein. Der Feldmarschall und die Königstochter sind eingeladen, uns über die Grenze zu begleiten. Das Schiff bleibt hier in Sicherheit, von den Wellen in Ruhe bewacht. Das war den Seeleuten genauso recht wie den beiden Gästen.

Der Feldmarschall lenkte das kleine Beiboot mit der Königstochter außer Sichweite des Flaggschiffs, zog seine Uniform aus und sprang ins Wasser. Er bat seine Begleiterin, ihm gleich zu tun. Als beide im Wasser waren, näherte sich schnell ein graues Dreieck an der Wasseroberfläche. Keine Angst, meinte der (fast) nackte Feldmarschall, das ist der Kleine Hai. Der will nur spielen. Das ist unsere Hoffnung. Jetzt verstand die Königstochter das Symbol auf dem Flaggschiff. Das war eine Haiflosse. Und La Esperanza hatte seinen Namen nach dem Kleinen Hai erhalten. Trotzdem wurde sie nervös, als der Kleine Hai immer näher kam. Erst als der Kleine Hai sie anstubste statt sie aufzufressen, entspannte sich die Königstochter. Der Kleine Hai war also der Wächter der Meeresgrenze.

Bald kam auch der Seemarschall aus den Tiefen auf sie zugeschwommen und mit großem Geschrei stürzte sich der Feldmarschall ihm entgegen. Es entstand eine wüste Rangelei zwischen den beiden, dass der Königstochter Angst und Bange wurde. Der Kleine Hai schwamm nur grinsend daneben. Erst als die beiden Marschälle prustend und lachend voneinander ließen, erkannte sie, dass sich die beiden verhielten wie Schulfreunde in der Pause. Erst schmollte sie, doch dann erkannte sie, dass die beiden gelernt hatten, ihre Rolle als Feldherrn gut zu spielen, auch wenn sie in Wirklichkeit gute Freunde waren. Einzig die beiden Könige kannten diese enge Feundschaft und förderten sie nach Möglichkeit. Es gab keine einfachere Lösung, Frieden zu wahren, als Freundschaften zu pflegen.

Der Seemarschall hatte schon von dem Drachenabenteuer des Helden gehört und bedauerte, dass er ihn wohl nie wieder sehen würde. Stattdessen bot er der Königstochter an, sie unter Wasser zum Schloss des Meereskönigs zu begleiten. Doch der Feldmarschall entschuldigte sie. Sie hat die grundlegenden Techniken des Reisens unter Wasser, Apnoe und Scuba, noch nicht gelernt. Aber ich zeige es ihr, bevor wir das nächste Mal wiederkommen. Der Seemarschall lud die Königstochter bedauernd ein, den Besuch baldmöglichst nachzuholen. Der Kleine Hai führte alle zurück zum Boot, wo sie sich wieder trennten.

Die Seeleute waren tief von der Tapferkeit des Feldmarschalls und der Königstochter beeindruckt, als die beiden tropfnass wieder an Bord kamen.