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Du fragst mich, wie es mir geht?

Du fragst mich, wie es mir geht?
Frag doch meinen Hausarzt!
Er kennt mich schon lange,
hat schon manche Krankheiten mit mir durchgemacht.
Und jetzt ist er ratlos, hat keine Idee,
Leitlinien kennt er nicht, die Krankheit zweifelt er an.
Er weiß es nicht.

Du fragst mich, wie es mir geht?
Frag doch meinen Neurologen!
Er glaubt mir, dass ich Schmerzen habe,
dass ich nicht mehr belastbar bin.
Aber ihm fehlen die Parameter,
er findet keine Ursache.
Er weiß es nicht.

Du fragst mich, wie es mir geht?
Frag doch meinen Röntgenologen!
Er schickt mich duch CT, MRT, EEG.
Was soll er noch alles durchleuchten?
Völlig unauffällig, alles negativ. 
Ist das jetzt das neue Positiv?
Er weiß es nicht.

Du fragst mich, wie es mir geht?
Frag doch meinen Kardiologen!
Er hört die Stolperer nicht, die mein Herz macht,
nur meinen erhöhten Puls und Blutdruck
In Langzeit-Messung und Belastungs-EKG
sieht er Kurven und kann sie nicht interpretieren.
Er weiß es nicht.

Du fragst mich, wie es mir geht?
Frag doch meinen Angiologen!
Wie ein Vampir will er mein Blut sehen,
doch ich gebe es ihm nicht. Nicht freiwillig.
In der Parese könnte er Klumpen und Fäden sehen,
und dass die Blutkörperchen nicht stimmen.
Er weiß es nicht.

Du fragst mich, wie es mir geht?
Frag doch meine Pneumologin!
Nach einer halben Stunde im Wartezimmer mit Maske
hört sie das Keuchen und Husten.
Aber ins Röhrchen schaffe ich nicht mehr genug Luft,
um mein Atemvolumen zu bestimmen.
Sie weiß es nicht.

Du fragst mich, wie es mir geht?
Frag doch meine Schlaflabor!
Warum kann ich nachts nicht ein- und durchschlafen?.
Warum wache ich auf, ohne erholt zu sein?
Was macht mein Körper in der Nacht?
Sie wissen es nicht.

Du fragst mich, wie es mir geht?
Frag doch meine Neuropsychologin!
Sie untersucht in stundenlangen Tests,
was ich mir noch merken kann, worauf konzentrieren,
welches Gepiepse und Geblinke ich erkennen kann.
Nach dem Test bin ich völlig erledigt.
Sie weiß es nicht.

Du fragst mich, wie es mir geht?
Frag doch meine Psychotherapeutin!
In endlosen Gesprächen wird ihr wenigstens klar,
dass ich keine Depressionen habe. Nicht vorrangig.
Doch sie sieht auch meinen Frust,
meine enttäuschten Hoffnungen auf Besserung.
Sie weiß es nicht.

Du fragst mich, wie es mir geht?
Frag doch meine Heilpraktikerin!
Wenn ich es ihr nicht sagen kann,
piekst sie hier und drückt mal da,
sie löchert mich mit Nadeln und mit Fragen,
bis es mir kurz besser geht.
Sie weiß es nicht.

Du fragst mich, wie es mir geht?
Frag doch meinen Arbeitgeber!
Ich sehe ihn regelmäßig, 
wenn ich ihm meine Krankmeldung abgebe.
Und er fragt mich, wann ich wiederkomme,
ob Wiedereingliederung möglich wäre.
Er weiß es nicht.

Du fragst mich, wie es mir geht?
Frag doch mein Gesundheitsamt! 
14 Tage nach meiner Infektion wussten sie,
dass ich wieder genesen bin. Ich habe es schriftlich.
Wenn ein PCR Test mal keine Auskunft gibt,
Wissen sie noch nicht einmal das.
Sie wissen es nicht.

Du fragst mich, wie es mir geht?
Frag doch meine Krankenkasse!
Nachdem ich ihnen 78 Wochen lang
regelmäßig meine Krankmeldung vorgelegt habe,
werde ich ausgesteuert.
Der Fall ist erledigt.
Sie wissen es nicht.

Du fragst mich, wie es mir geht?
Frag doch meine Unfallkasse!
Sie haben lange genug gebraucht,
um Berufskrankheit oder Arbeitsunfall anzuerkennen.
Natürlich wird jede Begleiterkrankung ausgeschlossen
und Folgeerkrankungen natürlich auch.
Sie wissen es nicht.

Du fragst mich, wie es mir geht?
Frag doch meine Rentenkasse
Erst schicken sie mich zur Reha,
wo meine Erwerbsfähigkeit festgestellt wird.
Und nach vielen Monaten merken sie dann,
dass das nicht funktioniert.
Sie wissen es nicht.

Du fragst mich, wie es mir geht?
Frag doch meine Arbeitsagentur!
Inzwischen ist mein Aktenstapel so groß,
dass sie nach Aktenlage erkennen,
dass ich Arbeitslosengeld bekommen soll,
obwohl mein Arbeitsvertrag noch läuft.
Sie wissen es nicht.

Du fragst mich, wie es mir geht?
Frag doch mein Versorgungsamt!
Um zu prüfen, ob ich schwerbehindert bin,
lesen sie alle Arztbriefe und Abschlussberichte
und ignorieren sie dann,
weil darin nicht steht, wie ich meinen Alltag meistere.
Sie wissen es nicht.

Du fragst mich, wie es mir geht?
Frag doch meine Selbsthilfegruppe!
Sie kennen all meine Klagen.
Sie sind die einzigen, die mir geduldig zuhören
und nicken, denn sie kennen das.
Sie sind mitfühlend, aber genauso ratlos.
Sie wissen es nicht.

Du fragst mich, wie es mir geht?
Frag doch meine Kameraden!
Sie wundern sich, warum ich nicht mehr da bin, 
nicht mehr regelmäßig komme.
Kann ich noch Mitglied bleiben,
wenn ich keine Leistung mehr erbringen kann?
Sie wissen es nicht.

Du fragst mich, wie es mir geht?
Frag doch meine Freunde!
Mühelos ziehen sie mich bei Kartenspielen ab,
mich, der früher die meisten Spiele gewonnen hat.
Wenn wir ins Gespräch kommen,
komme ich oft nicht mehr mit.
Sie wissen es nicht.

Du fragst mich, wie es mir geht?
Frag doch meine Familie!
Ich melde mich weniger und komme noch seltener.
Und dann bin ich zu nichts zu gebrauchen.
Und bei feucht-fröhlichen Feiern
bin ich der erste, der ins Bett muss.
Sie wissen es nicht.

Du fragst mich, wie es mir geht?
Frag doch meine Frau!
Nachts findet sie keine Ruhe,
wenn ich mich unruhig hin- und herwälze.
Und tags muss sie viele Aufgaben übernehmen 
in Haus und Hof. Und mich auf der Couch zudecken.
Sie weiß es nicht.

Du fragst mich, wie es mir geht?
Schön, dass Du mich noch fragst.
Ich bin völlig überfordert und weiß nicht warum.
Ich bin hilflos in meinem Alltag und ratlos.
Ich weiß nicht, wie es weitergehen soll,
ja noch nicht einmal, was gerade mit mir los ist.
Ich weiß es nicht.

Du fragst mich, wie es mir geht?
Ich hoffe, Du fragst mich weiter, 
damit noch jemand da ist,
den es interessiert,
wenn ich es weiß.