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Früher war Joachim Salmann sehr aktiv - heute strengen ihn selbst Alltagssituationen an - Fotos: Privat

 

FULDATeil 2: Long-Covid-Erfahrung eines Fuldaers

Zwischen Depressionen & Silberhochzeit im Krankenhaus

21.03.22 - Der Fuldaer Joachim Salmann berichtet OSTHESSEN|NEWS von seinen Long-Covid-Erfahrungen. Im zweiten Teil erfahren Sie, wie er die Corona-Infektion nicht los wurde und sich mehr und mehr eingestehen musste, dass noch ein langer Genesungsweg mit vielen Aufs und Abs vor ihm liegt.

 

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Bis Ende Januar erfolgten drei Krankschreibungen, weil alleine der Arbeitsweg die ganze Energie des Tages gefressen hatte.

"Mein Hausarzt war zwischen den Jahren im Urlaub und eine Vertretung war eingerichtet. Dort musste ich aufgrund der Coronalage im Treppenhaus mit offenen Fenstern warten. Ich erhielt eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung wegen einer Bronchitis. Vierzehn Tage später musste ich erneut zum Hausarzt. Ich konnte einfach nicht mehr – vor Erschöpfung."

Danach funktionierte das Arbeiten zunächst wieder etwas besser und Salmann schöpfte Hoffnung, dass die Krankheit überwunden sei. Doch es folgten weitere Rückschläge. Im März fiel er eine Woche aus. Nun verließen ihn neben den körperlichen auch die psychischen Kräfte. Er beschloss, gemeinsam mit dem Hausarzt eine psychosomatische Reha zu beantragen. Im April kam ein erneuter Tiefpunkt mit zwei Wochen Arbeitsunfähigkeit hinzu.

Der Tiefpunkt.

 

 

"Bei meinem Hausarzt löste die diffuse Problematik zunächst eher Kopfzerbrechen aus. Ich hatte den Eindruck, dass die Diagnose Depression für ihn dann etwas Greifbareres war. Ende April dachte ich eines Morgens, dass meine Computermaus defekt sei. Doch falsch gedacht! Mein Arm war gelähmt. 112. Krankenhaus. Verdacht: Schlaganfall. Im Krankenhaus drehten sie mich auf links. Ich kam für eine Nacht auf die Stroke Unit – die Schlaganfalleinheit. CT, MRT, Doppler, Herzecho und Blut waren alle unauffällig. Die Neurologen bescheinigten mir eine sogenannte TIA, also einen Schlaganfall, bei dem die Symptome von alleine verschwinden." Im Krankenhaus herrschte zu diesem Zeitpunkt ein absolutes Besuchsverbot. Die Silberhochzeit musste er daher mit seiner Frau alleine feiern – im Foyer des Klinikums - bei einem gemeinsamen Fläschchen Cola.

Langsame Hoffnung.

Nach der Entlassung machte sich vorsichtiger Optimismus bemerkbar. Nach dem Laufen erholte er sich schneller und er war insgesamt nicht mehr ganz so sehr erschöpft. Blutdruckmedikamente, Blutverdünner und ein Blutfettsenker wurden verordnet. Nach einer Messung des Langzeitblutdruckes war der Hausarzt bereit, das Blutdruckmedikament wieder abzusetzen.

 

"Zu Beginn meiner Rehabilitation hatte ich Probleme. Die Ärzte vor Ort wollten, dass ich die vom Krankenhaus verordneten Blutdruckmedikamente einnehme. Es drohte sogar der Abbruch der Maßnahme. Nach einigem hin und her lenkten die Ärzte schließlich ein.

Bezüglich der Depression wurde ich hervorragend versorgt und machte große Fortschritte. Leider wurde mir zur Krankheitsbewältigung bezüglich LongCovid wenig geholfen. Am letzten Wochenende der Reha hatte ich erneut eine Armlähmung und Sprachstörungen. Ich kam wieder in ein Akutkrankenhaus, wieder gab es ein ergebnisloses Diagnostikpaket und wieder wurde ich mit der Diagnose TIA entlassen."

Ende August kam er wieder nach Fulda zurück. Anfang September stand dann die Wiedereingliederung nach dem Hamburger Modell an. Leider kam noch während der psychosomatischen Reha die Absage für die neurologische Rehamaßnahme. Diese wurde erst nach einem Widerspruch genehmigt.

Erneute Rückschläge.

 

"Erst waren es zwei, dann vier Stunden. Aber zu mehr war ich einfach nicht in der Lage. Mir fehlte sowohl körperlich, als auch psychisch die Kraft. Bis Weihnachten kam ich nicht über vier Stunden hinaus." Im Januar 2022 trat Joachim Salmann dann die neurologische Reha an. "Ich hatte die Hoffnung, hier endlich Fortschritte hin zu einem normalen Leben zu machen. Leider musste ich Physioanwendungen oft wegen Luftnot abbrechen. Hinzu kamen Schwindel und eine enorme Müdigkeit. Schwimmen und Walken ohne Maske waren besser. Ich hatte den Eindruck, dass man keine Erfahrung mit Long Covid hatte. Meine Symptome fanden am Ende keine Erwähnung im Abschlussbericht." Salmann war nach dieser Erfahrung frustriert. Depressive Symptome kamen wieder auf und erneut stand der Verdacht Depression im Raum. Depressionen treten bei Long-Covid-Patienten häufig auf. 

Insgesamt, so scheint es, haben seine Erfahrungen die Hilflosigkeit sowohl auf der Seite der Betroffenen als auch auf der Seite der Behandler offen gelegt. Die Erfahrungen und Behandlungen von Patienten mit Long Covid stecken trotz der hohen Relevanz noch in den Kinderschuhen. Auch dürfte die Dunkelziffer bei den doch recht unspezifischen Symptomen hoch sein. 

Nicht aufgeben, Hilfe suchen.

"Aktuell bin ich weiterhin arbeitsunfähig. Ich bin weder körperlich, noch mental voll leistungsfähig. Es ist kein Vergleich zu vorher. Mit Maske kann ich maximal Einkaufen gehen, dann sind die Kraft und die Luft weg. Im Freien kann ich aktuell nahezu eine Stunde gehen. Meine Konzentrationsfähigkeit reicht für zwei bis drei Stunden. Gerade für meine Arbeit ist das ein riesiges Problem. Die depressiven Symptome haben zum Glück nachgelassen. Ich bin aber eher dünnhäutig geworden. Eine gewisse Perspektivlosigkeit hat sich in meinem Leben breit gemacht, die ich so nie von mir kannte."

 

Abschließend rät Joachim Salmann Betroffenen, sich zu trauen, sich zu vernetzen und ihre Erfahrungen auszutauschen. Er selbst fand Hilfe auf Facebook bei der Selbsthilfegruppe "LongCovid Deutschland". (O|N-Arzt Adrian Böhm) +++